Wer hätte das gedacht?
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Eine Verletzung zu erleiden ist etwas, das man in der Regel keinem Mitmenschen wünscht und wovor sich ein jeder fürchtet.
Ich möchte hier aus eigener Erfahrung berichten, wie hart mich eine Sportverletzung, nach Jahren des Laufens ohne irgendeine größere Auszeit, für einige Wochen auf das Abstellgleis gebracht hatte, und warum eine derartige Zwangspause so weitaus mehr als einfach nur eine regenerative Laufpause zur Sammlung neuer Energie bedeutet.
Mehrmals die Woche, manchmal sogar täglich, hatte ich mich bis dahin aufgemacht, auch nach einem noch so langen Tag und mit noch so bleiernen Beinen in die Laufsachen zu schlüpfen und zu laufen…mich zu befreien.
An besonders motivierten Tagen beinhaltete das bisher auch Nachtläufe, Läufe durch den Orkan oder, wenn ich es einmal so richtig am Kopf bekommen hatte, sogar einen Lauf nach dem Lauf eines Tages.
Das wirkte auf manch nicht ambitionierten Läufer oft verständlich unverständlich.
Ob nun die auf der Chartliste oben angesiedelten „Shin Splints“, quasi die Verletzung für Jedermann, „Ermüdungsbrüche“ für Fortgeschrittene oder auch nur eine „läppische“ Erkältung:
eine derartige Diagnose kann so manch einen Läufer, und damit eben auch mich, an den Rande der Verzweiflung treiben, denn die Aussicht auf eine Zukunft ohne das Laufen, und sei sie nur temporär, stellt im ersten Moment oftmals eine Zeit ohne jede Sinnhaftigkeit dar.
Die Diagnose des Arztes –eine technische Störung im oberen Bereich meines Fahrgestells- noch wie ein Mann ertragen, hatte ich mit dem Ergebnis, nämlich die Aussicht auf mehrere Wochen ohne Laufschuhe an den Füßen, schon eher so meine Probleme.
Und so folgten ein paar sehr nachdenkliche Tage, in denen ich mich mit dem auferlegten Schicksal abzufinden versucht habe.
Nun war ich also auch „defekt“, na toll.
Sehr ärgerlich auch, dass die gerade erst käuflich erworbene „Pulsuhr“ die nächsten Wochen wohl nicht einmal zum Einsatz kommen sollte.
Schick war sie jedenfalls, auch wenn mich die ständige Meldung, dass nun Zeit für mehr Bewegung gekommen sei, doch dann und wann in den Wahnsinn getrieben hat.
Damit die Anschaffung nicht ganz umsonst war, trug ich nun eine der wohl teuersten Eieruhren am Handgelenk; der Timer war auf angenehm „weichkochende“ 4:45 Minuten eingestellt.
Bereits nach ein paar Tagen ohne Laufen stellten sich dann auch schon die typischen Entzugserscheinungen ein, die gnadenlos für einen Läufer und auch sein Umfeld zuschlagen und eigentlich ein komplett eigenständiges Krankheitsbild darstellen können.
So konnten sich vorerst kurze Momente schlechter Laune bis hin zu einer Tagesform und zur totalen Unausstehlichkeit entwickeln.
Hier galt es für meine Mitmenschen, die zum Glück großes Verständnis für meine Lage hatten, nun äußerst sensibel mit mir umzugehen.
So konnte z.B. die Äußerung über ein bevorstehendes Laufevent oder ein paar neue Schuhe, selbst wenn dies keine Laufschuhe waren, meine Stimmung von einer auf die andere Sekunde kippen lassen.
Auch wenn ich mir durchaus bewusst über das eigene unrühmliche Verhalten war, und manch einer Äußerung direkt pauschal eine Entschuldigung anhängte, erst einmal war es das dann grundsätzlich mit dem harmonischen Moment oder dem gelungenen Tag.
Und wenn ich rastlos von einem Zimmer in das nächste -bzw. mit gehetztem Blick zum Schuhschrank und zurück- getigert bin, so dass selbst mein Kater sein Territorium als gefährdet betrachtet und sich schützend vor den Futternapf gelegt hat, dann war es äußerst schlau nicht danach zu fragen, was denn „eigentlich mit mir los sei“.
Mittlerweile sind die meisten Läufer ja auch in sozialen Netzwerken unterwegs in denen es rund um die Uhr darum geht, sich untereinander auszutauschen und von Läufen aus jeder Ecke der Welt zu berichten.
Bei einer erfolgten Verletzung folgt nun oft vom „Patienten“ ein erklärender Post mit nüchterner Schilderung der Sachlage, quasi ein letztes Statement oder die Ankündigung einer „harten Zeit“.
Der weitere Nachrichtenverlauf in der Chronik des Opfers kann sich dann ganz unterschiedlich entwickeln: Im besten Falle folgt bis zur erfolgten Genesung einfach NICHTS, bis der Betroffene dann die ersten zaghaften Aktivitäten voller Glückseligkeit postet, scheinbar auferstanden aus dem digitalen Koma.
Es kann jedoch auch passieren, dass die betroffenen Seelen ein extrem gesteigertes Mitteilungsbedürfnis an den Tag legen und ein in Selbstmitleid getränkter Post dem nächsten folgt, bis zum Ende der sportlichen Abstinenz.
Wehe dem, der auf diese Posts nicht mit tröstenden oder aufbauenden Worten reagiert…so eine Freundesliste ist ja ganz einfach mit einem Klick zu bearbeiten.
Ich selbst hatte mich dazu entschieden, meine Pause (sie fiel nach einer Weile eh auf) kurz zu erklären und mich dann in diesem digitalen Leben auf das Posten von Superfood –also z.B. selbst gemachten Smoothies- und sonstigen (z.T. auch erschreckend sinnlosen) Dingen zu reduzieren.
Egal welche wundersame Verwandlung Ihr auch mal ggf. bei einer dieser Personen feststellt: habt Verständnis mit den armen Gestalten, denn es fehlt ihnen nicht einfach nur sportliche Betätigung, es fehlt ein wesentlicher Bestandteil des Lebens!
Sie sind keine schlechten Menschen, sondern einfach nur verletzt.
Und so war auch ich nach meinem ersten erfolgten Lauf -in dann wiedererlangter Gesundheit- schon wieder ganz der alte, liebenswerte und überdurchschnittlich ausgeglichene Mensch wie vorher. Naja, zumindest fühlte ich mich wieder so.
Ich wünsche allen eine verletzungsfreie Zeit und bedanke mich für das Lesen dieses Beitrages, der übrigens nicht ganz ernst gemeint ist...oder doch?