Wer hätte das gedacht?
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»Verdammte Axt!«, ärgerte ich mich. »Schon wieder nicht abgeschlossen! Kann doch wohl nicht angehen!« Was war passiert? Es war im Oktober 2015, als ich an der alsterrunning Staffel-Challenge teilnahm. Aber wieder einmal hat mein Team den Staffelstab nicht ins Ziel gebracht. So etwas nagt an meinem sportlichen Ehrgeiz, wenngleich ich mich dann auch ohne Einnahme von Baldrian-Tropfen schnell wieder beruhigt hatte. :-)
Aus diesem Ärger heraus entstand die Idee, dass man sich für eine Challenge aktiv qualifizieren sollte – und das insbesondere für die Sommer-Challenge, die ja jedes Jahr bei alsterrunning das Haupt-Event darstellt. Und wenn wir schon beim Thema Neukonzeption sind, könnte man doch gleich darüber nachdenken, wie man möglichst alle Läufertypen zur Teilnahme an der Challenge motivieren kann. Sie sollte sowohl die Raketen ansprechen als auch die vielen langsameren Läufer, die mehrmals in der Woche ihre Runden um die Alster drehen. Die Sutor Bank und Asics fanden die Idee großartig und wollten das Event sofort mit tollen Preisen unterstützen. Die anstehende Fußball-Europameisterschaft in Frankreich bot sich hervorragend als Rahmen für die Challenge an. Zeit bis dahin war ja noch genug.
Konzeption und Implementierung
Ich fing an, meine Ideen dazu in einem Konzeptdokument festzuhalten, das ich dann später einigen Alsterrunnern zur Begutachtung vorlegte. Vielen Dank an Dietmar, Samir und Henry für eure wertvollen Kommentare und Anregungen!
Zur Qualifikation sollte man einfach in einer Woche möglichst viele Kilometer um die Alster laufen. Es sollten Läufer-Teams in zeitlich begrenzten Matches gegeneinander antreten, bei der derjenige Läufer mit der schnellsten Runde Sonderpunkte für sein Team holt. Auch der Teamgedanke sollte unterstützt werden, indem ein Team mehr Punkte für sich holen kann, wenn es mit möglichst vielen Teammitgliedern zusammen um die Alster läuft. Insgesamt sollte die Challenge in ihrer Organisation und in ihrem Ablauf der Fußball-Europameisterschaft möglichst nahekommen. Ob diese Ideen wohl ankommen würden? Keiner wusste das genau zu diesem Zeitpunkt.
Michael und ich — beide freiberufliche IT-Berater — arbeiteten zu dieser Zeit in derselben Firma, und irgendwann überredete, äh, überzeugte er mich, ein bisschen mitzuhelfen bei der Implementierung. Nachdem die http://alsterrunning.de/auswertungen/streaks/">Streak-Wertung als Einstiegsaufgabe für mich ganz erfolgreich lief, begann ich also, das Konzept für die alsterrunning EURO 2016 umzusetzen. Am 30. Mai waren die Qualifikation und das Turnier in seiner Grundfunktionalität fertig.
30. Mai — es geht los!
Zur Qualifikation konnte sich jeder Alsterrunner anmelden, aber nur die besten 144 Läufer schafften es ins Turnier. Insgesamt ging es in dieser Phase der Challenge noch recht verhalten ab:
http://alsterrunning.de/euro2016/qualifikation/Martin Habekost, der ja schon die Führung in der Streak-Wertung angepeilt hat, lief mit 130,6 km die meisten Kilometer. Es hätten allerdings auch zwei Alsterrunden in der Qualifikationswoche ausgereicht — aber wer konnte das wissen, wo doch gegen Ende der Qualifikationswoche niemand mehr Zwischenstände sehen konnte. Taktische Spielchen à la »Ich lauf nur so viel wie unbedingt nötig« sollten damit zumindest erschwert werden. ;-)
Die 144 Qualifikanten wurden dann nach dem Zufallsprinzip in 24 ungefähr gleich starke Teams eingeteilt (siehe http://alsterrunning.de/euro2016/faq/">FAQ für Details). Die Teammitglieder kannten sich zu diesem Zeitpunkt kaum, aber das sollte sich in den kommenden Wochen gravierend ändern. Wie schon aus der Staffel-Challenge bekannt, konnten sich die Teams in einem privaten Chat untereinander terminlich abstimmen.
10. Juni — das Turnier beginntAm 10. Juni ging es dann los mit dem Auftaktmatch Frankreich - Rumänien. Es war durchaus damit zu rechnen, dass im Rahmen einer solchen Challenge die Läufer der Ehrgeiz packt und sie schon vor dem Arbeitstag die eine oder andere Alsterrunde aufs Parkett legen. Aber was bitte ist hier passiert:
Steffen Pflumm Start: 00:06 Uhr | Ende: 00:47 Uhr | Zeit: 40:57 minSteffen Pflumm Start: 00:47 Uhr | Ende: 01:31 Uhr | Zeit: 44:10 min
Steffen Pflumm Start: 01:31 Uhr | Ende: 02:18 Uhr | Zeit: 46:36 min
Empfangen die Messstationen jetzt Signale aus dem All, oder ist da etwa Steffen Pflumm zu mitternächtlicher Schlafenszeit drei Runden um die Alster gelaufen?! Dies sollte bei weitem kein Einzelfall bleiben, aber am Ende des Tages ging die Partie mit 26:29 an Rumänien verloren, das sich in diesem Turnier noch für viele Mannschaften als hartnäckiger Kontrahent entpuppen sollte.
Die Messlatte wurde also schon durch die allererste Begegnung ziemlich hochgelegt. Plötzlich wuchsen Läufer über sich hinaus, die in ihrem bisherigen alsterrunning-Leben noch nie so deutlich in Erscheinung getreten sind. Unvergessen, wie Linda Roloff am 17. Juni im Match ihrer Italiener gegen die wackeren Trekroner aus Schweden plötzlich ihr Läuferherz in beide Hände nahm und an einem einzigen Tag 8 (acht!) Runden lief — und zwar ohne Unterbrechung!
Die wundersame Wandlung eines alsterrunning-UrgesteinsEine ganz besondere Geschichte habe ich mit einem alsterrunning-Urgestein erlebt, das vor Scham namentlich nicht genannt werden möchte und das ich deswegen einfach Genry nenne. Zufällige Namensähnlichkeit mit einer real existierenden Person ist unbeabsichtigt und wäre reiner Zufall! ;-)
Mit seiner Genehmigung zitiere ich auszugsweise aus einer privaten Nachricht mit besagtem Genry:
»Hi, Thomas, ich habe mich noch nicht angemeldet, weil ich fürchte, dass ich meiner Mannschaft keinen großen Gefallen tun kann. [...]
Also schädige ich mein Team schon dadurch, dass ich für gemeinsame Runden wohl ausfalle. Außerdem würden meine Teamkollegen sicher auf mein bisheriges Laufverhalten schauen und dann enttäuscht sein, wenn ich so wenig bringe.«
Och, mir kommen gleich die Tränen! :_( Nun ja, mit viel Überredungskunst konnte ich Genry doch noch überzeugen, an der alsterrunning EURO 2016 teilzunehmen.
Schaun wir doch mal, wie wenig Genry seinem Team im Achtelfinalmatch gegen Belgien helfen konnte:
Genry Start: 00:09 Uhr | Ende: 00:37 Uhr | Zeit: 28:38 min
Genry Start: 09:18 Uhr | Ende: 09:56 Uhr | Zeit: 38:25 min
Genry Start: 09:56 Uhr | Ende: 10:36 Uhr | Zeit: 40:00 min
Genry Start: 10:40 Uhr | Ende: 11:22 Uhr | Zeit: 40:02 min
Genry Start: 11:23 Uhr | Ende: 12:05 Uhr | Zeit: 42:46 min
Genry Start: 12:11 Uhr | Ende: 12:57 Uhr | Zeit: 44:30 min
Genry Start: 13:23 Uhr | Ende: 14:10 Uhr | Zeit: 47:10 min
Genry Start: 14:10 Uhr | Ende: 15:00 Uhr | Zeit: 49:49 min
Genry Start: 15:07 Uhr | Ende: 15:53 Uhr | Zeit: 44:22 min
Genry Start: 15:56 Uhr | Ende: 16:45 Uhr | Zeit: 49:10 min
Genry Start: 21:17 Uhr | Ende: 22:04 Uhr | Zeit: 46:55 min
Elf Runden, davon neun am Stück! Und soweit ich weiß, ist er zuvor nie mehr als fünf gelaufen. Und was sagt sein Kumpel und allzeit treuer Begleiter Kai Schnobel dazu:
Genry wurde dann später Stammkunde im Red Dog und verlebte noch einige schöne Abende mit seinem Team Ungarn, den Belgiern und weiteren Teams. Fast alle Läufer sind im Laufe der alsterrunning EURO 2016 über sich hinausgewachsen und deutlich mehr gelaufen als je zuvor. Allein das ist schon ein großer Erfolg.
Das Team zähltMit fortschreitender Dauer des Turniers verfeinern die Teams ihre Taktiken. Individuelle Einzelläufe über viele Runden treten mehr und mehr in den Hintergrund und man setzt verstärkt auf Teamläufe. Auch die Tatsache, dass das Kriterium einer gemeinsam gelaufenen Runde bereits erreicht ist, wenn man nur zwei Teilabschnitte zusammen läuft, verleitet viele Teams zu interessanten aber auch riskanten Manövern. Die Algorithmen, die die gemeinsam gelaufenen Runden natürlich fehlerfrei erkennen mussten, gerieten dadurch fast so sehr ins Schwitzen wie die Läufer selbst.
Das Team Russland verstand es schon frühzeitig, die Regeln für sich optimal zu nutzen. Schon in der Gruppenphase rangen sie die bärenstarken Slowaken mit 72:62 nieder und zogen mit drei Siegen souverän ins Achtelfinale ein.
Der Teamgedanke bewegt jetzt auch immer mehr Läufer, sich mit ihrem Team zu identifizieren und ihre Profilbilder zu ändern:
Bei Facebook werden jetzt Teamfotos veröffentlicht, und es werden T-Shirts mit Länderemblemen bedruckt. Aus zufällig zusammengelosten Individuen werden verschworene Lauffamilien, die sich gegenseitig unterstützen, anfeuern, zusammen Siege feiern und sich bei Niederlagen gegenseitig trösten.
Zeitgleich rüstet auch die IT auf. Es wurde erkannt, dass die Zuschauer offenbar die Matches gerne kommentieren möchten und eine entsprechende Funktion auf der Match-Details-Seite eingebaut. Auch die Information, wie viele Läufer zu welchem Zeitpunkt in jedem Team gerade auf der Strecke sind, erhöht das Spannungsmoment vor den Bildschirmen signifikant.
Auch den Läufern selbst war klar, dass da draußen hunderte vor ihren Bildschirmen mitfiebern — wer denkt da vor 24:00 ans Aufgeben?!
Generalstabsmäßige PlanungEinige Teams bleiben dem Teamchat bis zum Ende treu, während andere zur erleichterten Kommunikation WhatsApp-Gruppen gründen oder auf andere Messenger umsteigen. Aber eines haben alle gemein: Die Matches werden generalstabsmäßig geplant und nichts wird mehr dem Zufall überlassen. Es werden Gegnerprofile mit Stärken und Schwächen in Excel-Spreadsheets analysiert. Es werden Formeln entwickelt, wie man mit möglichst wenigen Runden möglichst viele Teampunkte bei unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten einzelner Läufer erreichen kann. Doodles Organisationsfunktion wird verwendet, um zu jedem Zeitpunkt eines Match-Tages möglichst viele Läufer eines Teams gleichzeitig auf die Strecke zu bringen. Und selbstverständlich läuft in jedem Team ein Handy mit, um sofort auf die Schachzüge des Gegners reagieren zu können. Ist der dritte Weltkrieg ausgebrochen? — Nein, viel schlimmer! Es läuft die alsterrunning EURO 2016! :-)
In der Gruppenphase gab es noch die eine oder andere interessante Begegnung, an die wir uns noch lange zurückerinnern werden:
http://alsterrunning.de/euro2016/gruppenphase/
Finalrunde — die heiße PhaseAlbanien, Deutschland, Russland, Frankreich, Kroatien, Republik Irland, Rumänien, Spanien, Nordirland, Island, Ungarn, Belgien, Italien, Tschechische Republik, Slowakei und Portugal setzen sich in ihren Gruppen durch und ziehen in die http://alsterrunning.de/euro2016/finalrunde/">Finalrunde ein.
Das bis dato packendste Duell liefern sich im Achtelfinale Albanien und Deutschland, das Albanien an diesem 25. Juni um Haaresbreite erst kurz vor 24:00 mit 65:61 für sich entschied. Auch zwölf Runden des starken Stefan Bruß reichten für die deutsche Équipe nicht aus für den Sieg. Spannend für die Zuschauer an den Bildschirmen auch die Matches zwischen Ungarn und Belgien (48:55) und Nordirland und Island (60:74), bei dem Island den bis zu diesem Zeitpunkt höchsten Score pro Match erzielte.
In dieser Turnierphase fielen einige Läufer aus unterschiedlichen Gründen für ihre Teams aus, so dass das eine oder andere Match praktisch abgeschenkt werden musste. Dies zeigt leider auch die Nachteile einer sehr dominanten Bepunktung gemeinsam gelaufener Runden. Fehlen dir Teammitglieder, kannst du es alleine nicht mehr aufholen.
Im Viertelfinale treffen die acht besten Teams aufeinander. Rumänien und Portugal liefern sich einen erbitterten Fight, den die Portugiesen erst kurz vor Schluss mit 103:91 für sich entschieden. Zum ersten Mal wurde in einem einzigen Match die 100-Punkte-Marke geknackt. Zwar sind FreshWaterBeach (13) und Samir (15) zusammen sagenhafte 28 Runden an diesem Tag gelaufen, aber Runner of the Match wurde Uwe Löffler — der in der Altersklasse M75 laufende Veteran steuerte unfassbare acht Runden zum Sieg bei. Portugal avancierte spätestens nach diesem Match zu einem großen Mitfavoriten auf den Titel.
Ein Krimi war auch die Begegnung zwischen Albanien und Kroatien, das die immer stärker werdenden Albaner um den ehemaligen Spitzenmarathonläufer Jens Gauger mit 73:61 für sich entschieden. Manch andere Begegnung war leider beeinträchtigt durch den beliebten hella-Halbmarathon, dem manche Alsterrunde im Viertelfinale zum Opfer fiel.
Die alsterrunning EURO 2016 geht jetzt in die entscheidende Phase. Im Halbfinale stehen sich Albanien und Russland sowie die Tschechische Republik und Portugal gegenüber. Personell stark dezimiert können die furiosen Tschechen Portugal nicht in Schach halten und müssen das Match mit 33:58 abgeben. Spannender ging es im ersten Halbfinale zu. Obwohl Albanien an diesem Tag nur fünf Läufer auf die Strecke bringen konnte, leistete das Team den Russen erbitterten Widerstand, der erst nach Kapitulationsverhandlungen :-) kurz nach 22:00 gebrochen war und in einem gemeinsamen Restabend im Red Dog endete. Beide Teams bringen es an diesem Tag zusammen auf über 100 Stunden Laufzeit! Zum ersten Mal zeigt auch die alsterrunning-IT Schwächen. Weil ein Hintergrundprozess wegen Überlastung abstürzte, konnte das Endergebnis leider erst nach mehreren Stunden angezeigt werden.
Damit stand die Finalbegegnung der Challenge fest: Das starke russische Kollektiv trifft auf eine verschworene Gemeinschaft aus Portugal. Im Finale werden beide Teams besonders gefordert, denn das Match läuft über zwei Tage.
Das FinaleDie Russen legen gleich furios los und wenden ihre schon aus früheren Matches gefürchtete mitternächtliche Überfalltaktik an: Zwischen 00:09 und 02:56 des 9. Juli werden schon 16 Runden in hoher Teamstärke erlaufen, ehe die Portugiesen überhaupt nur ihre Laufschuhe angezogen hatten. Was die Russen nicht wissen: Portugal folgt einem ausgeklügelten Schlachtplan, in dem dieser Rückstand eingeplant war. Um 6:03 betreten nun auch die Portugiesen die Arena an der Alster, und FreshWaterBeach (14 Runden) und Samir (13 Runden) werden sie bis 18:34 auch nicht mehr verlassen. FreshWaterBeach hängt sogar noch drei weitere Runden dran und muss irgendwann nach 20:43 halbtot ins Bett gefallen sein. Daniel Rayer läuft an diesem Tag zum ersten Mal in seinem Leben einen Marathon. Aber auch Russland rückt mehrmals an diesem Tag aus und hält mit seinem perfekt funktionierenden Kollektiv und seiner Immer-nur-drei-Runden-am-Stück-Taktik eindrucksvoll dagegen. Das Match geht mit 86:87 fast ausgeglichen in die Halbzeitpause.
10. Juli — der alles entscheidende TagDer zweite Finaltag musste jetzt die Entscheidung bringen. Dieses Mal steht Portugal schon um 5:43 an der Alster, und Samir holt sich mit 28:23 min. die bis dahin immer noch offene schnellste Runde, die ihnen wichtige vier Punkte einbringt. Anschließend stoßen seine Teamkollegen hinzu und erlaufen sich einen zwischenzeitlichen Vorsprung von 30 Punkten heraus, weil Russland in dieser Phase ausnahmsweise mal nicht in voller Besetzung auf der Strecke war. Zeigen die Russen jetzt zum ersten Mal in diesem Turnier Schwächen? Mussten sie nun der hohen Belastung aus den kräftezehrenden Matches zuvor Tribut zollen? Oder konnten sie diesen Rückstand noch gegen die unerbittlich fightenden Portugiesen wettmachen? Eine Vorentscheidung war scheinbar gefallen, aber Zeit war noch genug da.
In der Nähe der Messstation "Schöne Aussicht" bauen indes eifrige Zuschauer um KatjaH und "KleinerTurnschuh" liebevoll und eigeninitiativ einen Verpflegungsstand auf, der an diesem Tag als Meet-and-Greet-Point für viele Alsterrunner diente. Von hier aus schlossen sich auch immer wieder Spontanläufer den Teams auf ihren Runden an. Mit jeder Flasche Sekt stieg die Stimmung deutlich hörbar an, und so mancher Hund hat noch heute die Kuhglocke von Julian Lange im Ohr. :-)
Zurück zum Match: Wer die Rechnung ohne den Kampfgeist der Russen macht, ist schon auf der Verliererstraße. Immer wieder nach vorne gepeitscht von der nimmermüden Harriet, kämpft sich Russland ins Match zurück. »STATION!« — nein, es waren nicht immer zärtliche Töne aus dem Mund der russischen Laufdiva, wenn sich die Mannschaft einer Messstation näherte und diese geschlossen innerhalb der Vier-Sekunden-Frist passieren musste. Auch außerhalb des Stadions sorgte Harriet für Ordnung und Disziplin bei ihren Jungs:
Der Erfolg gab ihr Recht.
Die EntscheidungPortugal war nun mit vier Kräften aktiv, während die Russen in voller Mannschaftsstärke unbarmherzig marschierten. Es muss etwa gegen 20:00 gewesen sein, als Russland den Punkteausgleich schaffte. Böses ahnend stemmt sich der mit allen Ultra-Wassern gewaschene Samir nun mit aller Macht gegen die drohende Niederlage. Er ändert die Teamtaktik seiner Iberer, indem er in einem Kraftakt unter geschickter Ausnutzung der Zwei-Stationen-Regel versucht, sein eigenes Team durch Beschleunigung zu überrunden, um zusätzliche Rundenpunkte einzufahren, ohne dabei auf die Teampunkte verzichten zu müssen. Woher nimmt dieser Teufelskerl jetzt noch die Kraft für so schnelle Runden?!
Aber auch dieses allerletzte Aufbäumen konnte das drohende Unheil nicht mehr abwenden, und so wendete sich das Blatt jetzt endgültig zugunsten der Russen. FreshWaterBeach und Samir legten an diesem zweiten Finaltag phänomenale 15 bzw. 18 Runden aufs Alsterparkett, nachdem sie beide vom Vortag schon jeweils 100 km in den Knochen hatten. Es half aber alles nichts mehr. Selbst diese schier unmenschliche Leistung konnte nicht verhindern, dass das Endspiel schließlich nach zähem Kampf mit 201:184 in Russland einen Sieger fand.
Um 23:56 liefen fünf Russen überglücklich in ihrer Zielstation "Alte Rabenstraße" ein und nur eine Minute später auch der schon seit fast einer Woche an einer Oberschenkelzerrung laborierende Martin Habekost. Allen Athleten waren die Strapazen der letzten beiden Tage deutlich anzusehen, aber die Gesichter waren voller Selbstbestätigung, Zufriedenheit und Stolz.
Pain is temporary, pride is forever!
Die alsterrunning EURO 2016 hat eine riesige Begeisterung ausgelöst. Angetrieben von der Gruppendynamik ihrer Teams und den Zuschauern an der Strecke und vor den Bildschirmen erbrachten viele Läufer Leistungen, von denen sie zuvor nicht einmal zu träumen gewagt hatten. Sie waren plötzlich mittendrin statt nur dabei. Und manch eingefleischter Fußballfan hätte fast vergessen, dass es zeitgleich in Frankreich ja auch noch die Fußball-Europameisterschaft gab.
Am Ende gab es 144 Gewinner, zwei würdige und tapfer kämpfende Finalisten und Russland als strahlenden Sieger der alsterrunning EURO 2016.